Samstag, 4. Januar 2020

Zwischenspiel II


Ja, es wird auch irgendwann mit Asleifs Geschichte weitergehen, aber erstmal ein leicht Off Topic Posting. Es geht immerhin auch um eine Art von Rollenspiel...
Viel Spaß mit:
Der Werbespot
Die Amateurtheatergruppe, in der ich zu der Zeit aktiv war, wurde von einer Casting-Firma angesprochen, man suchte Statisten für einen Werbespot, die Interessenten sollten sich zu einem bestimmten Termin am Rathaus in Lüneburg einfinden. Dort wurden wir kurz gefilmt und sollten dabei etwas über uns erzählen und was wir im Theater schon gemacht hatten.
Danach geschah eine ganze Weile nichts, ich hatte das schon völlig vergessen. Dann erhielt ich plötzlich einen Anruf, dass man mich für den Spot haben wolle. Als der Anruf kam, war ich gerade auf dem Weg in ein von der Firma bezahltes Excel-Seminar. Zwischen Tür und Angel musste ich die Terminplanung machen und für Urlaub sorgen. Ich sollte für drei Drehtage, Montag bis Mittwoch eingesetzt werden. Pro Tag gab es 80,00 D-Mark.
Der Urlaub war genehmigt, Drehtage standen fest und es wurde zu einem ersten Kostüm- und Maskenprobetermin eingeladen. Meine Größe und mein Umfang machten beim Kostüm natürlich Probleme. Hemd und Weste waren relativ schnell und einfach gefunden, nur eine passende Hose hatten die Mädels nicht. Eine schwarze Hose, mit gehefteten Seitennähten riss mit sattem Ratschen ein, als ich sie probeweise anzog. Trotzdem wollte der Regisseur eine Testaufnahme mit mir machen, da ich sogar eine Szene mit Großaufnahme spielen sollte. 
Also ging es in einem leidlich passenden Hemd, einer Weste und der in Fetzen um die Beine hängenden Hose raus zum Probedreh. Ich sollte „blöd“ in die Kamera gucken und einen Eimer umgekehrt auf den Boden stellen. 
Anscheinend gelang mir das ganz gut, denn die Szene sollte gedreht werden.
Dann ging es los, das erste Mal auf einem professionellen Filmset. Was zuerst auffällt: es geht um Details. Der Drehort ist ein alter Gutshof hinter Amelinghausen. Einer der Orte von denen man sagt „hier ist die Zeit stehengeblieben“. Es ist unglaublich, was eine Filmcrew bedenkt und ändert, wenn sie an einem solchen Ort eine Szene aus den 20er Jahren dreht. Das Ortsschild wird abgebaut und der Pfosten hinter angelehnten Holzstangen versteckt. Ein Hinweisschild für die Wasserentnahmestelle für die Feuerwehr verschwindet hinter einem Busch. Laternen werden abgebaut. Die Zufahrtsstraße aus Teer und wird auf 800 m mit Sand abgedeckt.
Der zweite Eindruck ist: Filmdreh heisst warten. Das Einrichten einer Szene dauert. Als „Hintergrund“ hat man eine kurze Aktion durchzuführen. Zunächst einmal zur Probe, dann wird alles eingerichtet und dann macht man gefühlte 20 mal immer das Gleiche. In meiner ersten Szene hatte ich Stühle ca. 5 Meter weit zu tragen. Immer wieder. Und dazu noch ein einer äußerst unbequemen Haltung. Da ich nämlich später eine Großaufnahme hatte, musste ich einen Stuhl auf der Schulter tragen, so dass er mein Gesicht bedeckte.
Dazu kam die Hitze. Es war sowieso schon ziemlich warm und die Scheinwerfer trugen ihres dazu bei. Ja, die Scheinwerfer. Auch bei einer Tagszene außen bei strahlendem Sonnenschein wurden Scheinwerfer eingesetzt. Solche großen Filmscheinwerfer verbreiten  eine ziemliche Hitze.
Ein Filmset ist auch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Also mindestens zwei Klassen. Die Produzenten und engsten Mitarbeiter des Regisseurs bekamen eisgekühltes Obst. Wir Statisten bekamen immerhin Wasser. Das war zwar eine Evian-Flasche, aber die wurde aus dem Wasserhahn auf dem Hof aufgefüllt. Wenigstens gab es in der Mittagspause warmes Essen von einem Caterer für alle und das war gar nicht mal schlecht.
In zwei Drehtagen habe ich Hufeisenwerfen gespielt, Stühle getragen, einer Blondine einen Eimer als Tritt hingestellt, stundenlang gewartet, gejubelt, echte Wurstwaren und falsches Bier betrachtet und mich gelangweilt. Im fertigen Spot, sieht man mich der Blondine einen Eimer hinstellen, damit sie besser auf die Bühne steigen kann, um einen Orden zu verleihen. Und das auch nur im Director’s Cut. Mein Vater war sogar in der Fernsehfassung zu sehen, auch wenn man dafür scharf aufpassen und wissen musste, wo man hinschauen muss.
Ich habe den dritten Drehtag dann nicht mehr mitgemacht, weil es mir tatsächlich zu anstrengend war. “Meine” Szene hatte ich ohnehin abgedreht und es wäre auf einen weiteren Tag als “Hintergrund” hinausgelaufen.
Während einer Umbaupause habe ich mit mit einem der Beleuchter unterhalten, der mir von seiner fingerdicken Lohnsteuerkarte am Jahresende erzählt hat, Festanstellungen gibt es in der Branche so gut wie gar nicht, und der wiederum meinte, so ein Außendreh wie dieser sei für die Crew durchaus mal ein Highlight. Bei Werbefilmen würde man sonst tagelang in dunklen Ateliers stehen und Suppendosen dramatisch ausleuchten. Selbst ein Pornodreh, den er auch schon beleuchtet hatte, wird nach den ersten Stunden schnell langweilig...
Spannend war es allemal, sowas mal mitzumachen (den Werbespot, nicht den Pornodreh). Aber ich habe dabei auch gemerkt, daß das keine Dauerbeschäftigung für mich wäre.


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