Mittwoch, 24. April 2019

Asleif VI


Zwei Wochen vor dem Schiff, das wir übernehmen wollten, kam eines der anderen Schiffe einige Tage früher, als geplant und hatte kurz zuvor eine Ladung Weinfässer geraubt. Die Wachen auf der Insel beknieten Rinanda förmlich, einige Fässer für ein allgemeines Besäufnis freizugeben.

Schließlich ließ sie sich erweichen, befahl aber, alle Sklaven in den Hütten einzuschließen. Außerdem ließ sie die Wachen Strohhalme ziehen und einer musste nüchtern bleiben und uns bewachen.
Wir entschieden uns, die Gelegenheit trotzdem zu nutzen. Und wir sollten noch mehr Glück haben: am Abend des großen Besäufnisses, ließ Rinanda mich zu sich rufen.

Auf dem Weg zu ihrer Hütte sah ich mich unauffällig um. Das Besäufnis war im Gange und die Wache, die den Kürzeren gezogen hatte, stand auf dem Platz vor den Hütten und behielt die Türen genau im Auge. Ich nickte dem Kerl zu und klopfte an Rinandas Tür.

Sie hatte schon ein paar Becher Wein getrunken, ihr Atem stank nach dem billigen Gesöff. Ihrem Verlangen tat das wenig Abbruch, aber sie war früher erschöpft als sonst. Während sie bisher immer darauf geachtet hatte, mich rauszuschmeißen, bevor sie einschlief, haute sie der Wein diesmal früher um und als sie mit mir fertig war, winkte sie müde Richtung Tür. Ich tat, als wollte ich die Hütte verlassen, hielt aber an der Tür inne und sah mich vorsichtig um. Sie schlief bereits tief und fest.

Ich nahm vorsichtig einen Säbel aus der Tonne und näherte mich dem Bett. Ich weiß nicht, was passiert ist, wahrscheinlich habe ich einen Moment zu lange gezögert. Als ich mit erhobenem Säbel neben ihr stand, schlug Rinanda plötzlich die Augen auf. Wieder zögerte ich einen Moment zu lange, sie holte Luft und wollte schreien. Gleichzeitig hieb ich ihr mit dem Säbel ins Gesicht. Der Schrei wurde zu einem Lauten Wimmern. Ich wußte mir nicht anders zu helfen, als ihr das Strohkissen ins Gesicht zu drücken und mich mit aller Kraft darauf zu lehnen, bis sie sich nicht mehr rührte.

Schwer atmend lehnte ich am Bett. Aber ich hatte keine Zeit zum Ausruhen. Die Wache draußen musste den Kampf gehört haben. Schnell lief ich durch den vorderen Raum und postierte mich neben der Tür. Kaum angekommen hörte ich draußen Schritte. Tatsächlich öffnete sich kurz danach die Tür und die Wache spähte vorsichtig in den Raum. Diesmal war ich vorsichtiger und wartete, bis ich den Gegner gut sehen konnte. Ein gezielter Stich in den Hals und dann musste ich die Wache auffangen, damit es kein lautes Gepolter gab als sie zusammensackte.

Schnell befreite ich die anderen aus den Hütten und wir holten uns die restlichen Waffen aus Rinandas Hütte. Das Saufgelage war weit genug vorangeschritten, so daß wir auf keinen nennenswerten Widerstand trafen. Wir stellten sicher, daß niemand mehr an Bord des Schiffes war und standen dann alle zusammen am Strand und sahen uns an, wir konnten kaum glauben, daß wir es geschafft hatten: wir waren frei…

Mittwoch, 17. April 2019

Asleif V

Naja, was soll ich sagen. Ich wußte nun, was Rinanda mit Favoriten machte. Nicht alles davon gefiel mir und es kam durchaus auch die Neunschwänzige zum Einsatz.

Aber das Ganze verschaffte mir auch einen Einblick in ihre Hütte und diese Gelegenheit nutze ich weidlich aus. Zunächst indem ich mal die Augen offen hielt und mir alles genau einprägte. Im vorderen Teil der Hütte standen einige Truhen und ein Schreibtisch voller Papiere, darunter scheinbar auch Karten. Neben der Tür stand ein Fass mit einigen Knüppeln und dem einen oder anderen Säbel.
Im hinteren Teil, hinter einem Vorhang stand ihr Bett, eine Kleidertruhe und an der Wand hing ein Regal mit ihren „Spielzeugen“ für ihre Favoriten. Ich glaube, ich kann von Glück reden, daß sie nicht alle diese Dinge an mir ausprobiert hat.

Irgendwie schaffte ich es wohl, ihr Interesse an mir wachzuhalten, sie ließ mich immer öfter abends holen.

Dazwischen fing unsere Vierergruppe ernsthaft an, darüber nachzudenken, wie wir von der verdammten Insel verschwinden könnten. Bei diesen Gesprächen wurde uns schnell bewußt, daß jeder einzelne von uns nicht nur hier abhauen, sondern sich auch an El Barrakuda rächen wollte. Trom ging es gegen den Strich, daß diese Kanallje wie er sagte, nach Belieben Leute einfangen und versklaven kann. Tynda sah das ähnlich. Ich selbst war hauptsächlich wütend über meine eigene Gefangenschaft, sowas macht niemand ungestraft mit einem Donnorier, bei Hvalgud.

Imja sagte nur, sie hätte auch ein Hühnchen mit dem Kerl zu rupfen, aber was genau ihre Gründe waren, behielt sie für sich und grinste nur leicht, wenn wir sie danach fragten.
Letztlich war es egal, wir alle hatten ein gemeinsames Ziel: zunächst mal hier wegkommen und möglichst alle Gefangenen mitnehmen. Wer sich danach unserem Rachefeldzug anschließen wollte, sollte das tun, wer nicht, sollte gehen.

Schnell wurde uns klar, daß der einzige Weg von der Insel weg die Schiffe waren, die scheinbar regelmäßig hier anlegten. Sie alle führten den Jolly von El Barrakuda, mit der Zeit zählten wir vier verschiedene Schiffe, die abwechseln die Insel anliefen.

Imja schließlich war es, die ein bestimmtes dieser Schiffe für unseren Plan vorschlug. Es war eines der größeren, welches aber immer mit nahezu leerem Frachtraum hier ankam und dann mit Tabak und Seilen beladen wurde. Danach war immer noch massig Platz im Laderaum. Das brachte Imja zu der Annahme, daß das Schiff noch weitere Ladestellen anlaufen und demnach am Sammelpunkt der Waren nicht so schnell vermisst werden würde. Bei Hvalgud, die Kleine hatte wirklich was in der Birne.

Der Ablauf war immer gleich, wenn ein Schiff eintraf: zwei Tage vorher begannen wir, die Waren am Strand aufzustapeln. Wenn das Schiff da war, vergnügte sich die Besatzung mit unseren Wachen im Schatten der Hütten. Nur einer blieb an Bord und überwachte die Stauung und zwei Wachen trieben uns am Strand an.

Da wir nicht gegen die Wachmannschaft und die Schiffsbesatzung gleichzeitig kämpfen wollten, mussten wir die Wachen vorher erledigen.
Dabei kam uns der Zufall zu Hilfe…

Mittwoch, 10. April 2019

Asleif IV

Ein Hinweis: um Copyrightprobleme zu vermeiden, habe ich einige Dinge umbenannt. Die ersten drei Einträge sind entsprechend überarbeitet, ansonsten unverändert.
Und nun weiterhin viel Spaß...


Mir den Namen und den Jolly einprägen, war fürs erste auch alles, was ich mit El Barrakuda machen konnte. Die Aufseher trieben uns Sklaven tagsüber dermaßen an, daß wir abends wenig mehr tun konnten, als ein paar Bissen zu essen, etwas zu trinken und dann in unserer Hütte auf dünnen Bastmatten mehr oder weniger ohnmächtig zusammenbrechen.

Wir mussten auf der Tabakplantage arbeiten und nebenher immer wieder eine furchtbare Schlingpflanze ernten, aus der die Taue hergestellt wurden. Die Schlingen mussten dazu mehrere Tage in einem Wasserbottich eingeweicht und immer wieder durchgeknetet werden. Die Mistdinger gaben dabei irgendeinen Mist in das Wasser ab, der uns die Handflächen verbrannte, so daß die Hände roh, rissig und blutig wurden.

Tage wurden zu Wochen, Wochen zu Monaten. Wir gewöhnten uns tatsächlich an den Ablauf und trotz des miesen Essens kamen wir einigermaßen zu Kräften. Schließlich waren die Aufseher auch nicht blöd, sie hatten nichts davon, uns zu Tode schuften zu lassen, dann würde ja niemand die Drecksarbeit machen.

Ich lernte die Mitgefangenen besser kennen. Die beiden, die auf dem Schiff neben mir gesessen hatten, hießen Trom Adersin und Imja Aljeff. Er stammte irgendwo aus dem Kaiserreich und war schon sein ganzes Leben auf See gewesen, mal als ehrlicher Kauffahrer, mal als Pirat. Imja war rusischer Herkunft und scheinbar vor irgendwas auf der Flucht gewesen. Sie gab sich sehr geheimnisvoll, war zwar nett und meistens fröhlich, hatte aber irgendetwas an sich, daß mir eine Gänsehaut machte, wenn ich mit ihr sprach.

Auf der Insel lernte ich noch mehrere andere kennen, unter anderem Tynda. Trotz unserer Lage war sie immer fröhlich und schien jede Blume und jeden Vogel beim Vornamen zu kennen.

Allmählich wurde es zu einem Ritual, daß wir vier abends in der Hütte zusammensaßen und leise über unsere Lage sprachen und Beobachtungen austauschten. So schien Rinanda, die Rothaarige, die auf der Insel das sagen hatte, immer ein oder zwei Favoriten unter den Sklaven zu haben. Wir sahen abends immer einen in ihrer Hütte verschwinden.

Irgendwann schien einer ihrer Favoriten sie verärgert zu haben. Abends schmiss sie ihn hochkant aus ihrer Hütte. Am nächsten Tag lag er in seinem Blut zwischen den Hütten, den Kopf gespalten. Don Alfonso lief den ganzen Tag grinsend zwischen uns herum.

An diesem Abend kam er auf dem Rückweg zur Hütte auf mich zu und sagte, daß Rinanda mir eine Chance geben würde.

In meiner jugendlichen Dummheit war mir nicht klar, was gemeint war.
Am nächsten Tag kam Don Alfonso wieder auf mich zu. Wenn ich meine Chance nicht wahrnehmen wollte, würde er seine wahrnehmen. Rinanda hätte nicht viel Geduld.

Mit wurde endlich klar, was gemeint war. Und nach dem Essen verließ ich unsere Hütte. Die Wache vor der Tür erkannte mich, nickte fast unmerklich und sah in die andere Richtung.
Ich machte mich auf den Weg zu Rinandas Hütte und klopfte an die Tür…

Mittwoch, 3. April 2019

Asleif III




Im Halbdunkel des Schiffsbauchs verlor ich jedes Zeitgefühl. Ab und zu wurden uns ein paar Brocken trockenes Brot hingeworfen und eine Kelle Wasser hingehalten. Die Wachen waren dabei aber ungeduldig und so musste man schnell sein, um das Wasser trinken zu können, statt es über das Hemd geschüttet zu bekommen.

Die Gefangenen saßen in Reihen zusammengekettet und sahen hauptsächlich den Rücken des Vordermannes und die Personen rechts und links neben sich. Links von mir saß ein älterer Mann mit langem Bart. Rechts eine Frau, deren Alter ich nicht einschätzen konnte. Der Mann schien zur See gefahren zu sein, seine Sprache und seine Stimme zeugten von Jahren auf Decks von Schiffen. Die Frau war klein und drahtig und schien sehr in sich selbst zu ruhen. Ihre wenigen Äußerungen ließen auf eine akademische Ausbildung schließen. Nicht, daß mir das Wort „akademisch“ damals bekannt war, aber ich konnte durchaus erkennen, ob jemand mehr im Köpfchen hatte, als ich blutjunger Schiffsjunge.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörten wir vom Oberdeck die Befehle, die einem wenigsten ansatzweise erfahrenen Seemann anzeigten, daß das Schiff eine Pier anlaufen würde. Tatsächlich spürten wir kurz darauf einen Ruck, wie er durch ein Schiff läuft, wenn ein stümperhafter Kapitän oder Steuermann am Ruder stehen.

Schon kurz danach wurden die Gefangenen losgekettet und an Land getrieben. Das Schiff hatte an einer hölzernen Pier festgemacht, die von einem Sandstrand aus ins Meer lief. Dieser kleine Hafen lag in einer natürlichen Bucht und der Blick hinaus auf das Meer lies mich irgendwie erahnen, daß wir uns auf einer Insel befanden.

Man hieß uns am Strand aufstellen und dann stand eine große, grobschlächtige, rothaarige Frau vor uns und malte uns aus, wie unser Leben von nun an auszusehen habe. Wir seien als Arbeitssklaven auf einer Plantageninsel von El Barrakuda gelandet und seien nun sein Eigentum. Wer ordentlich und fleißig arbeiten würde, würde es gut haben und immer genug zu fressen. Wer nicht schnell genug auf Befehle reagieren würde, würde die Neunschwänzige, dabei zeigte sie auf eine Peitsche an ihrem Gürtel, zu spüren bekommen. Und wer es nicht lernen würde, der würde Bekanntschaft mit Don Alfonso machen. Dabei zeigte sie auf einen Hünen, der neben ihr stand. Bei Hvalgud, der Kerl war riesig. Was der da als Arme hatte, hatten andere als Beine. Er war glatzköpfig aber im Gesicht unrasiert und zeigte, als er fies grinste, gelblich-braun verfärbte Zähne mit einigen Lücken dazwischen. Genüsslich strich er über eine Doppelaxt, die an seinem Gürtel hing.

Dann bekamen wir schon unsere erste Aufgabe: wir sollten Tabakballen und Seilrollen auf das Schiff verladen, was uns hierhergebracht hatte. Als ich mit dem ersten Ballen auf dem Rücken die Gangway hochkletterte, sah ich am Heck eine Fahne wehen, die nicht die goldene Krone von El Hammur zeigte. Beim Verlassen des Schiffs sah ich genauer hin und erkannte das aufgerissen Maul eines Raubfisches in silbern auf rotem Grund. „El Barrakuda“ schoß es mir durch den Kopf. Der Mistkerl hat nicht nur den Namen von einem Raubfisch, sondern hat ihn auch gleich auf seinem Jolly verewigt. Na gut, dachte ich bei mir. Den Namen und den Jolly würde ich mir merken…