Im
Halbdunkel des Schiffsbauchs verlor ich jedes Zeitgefühl. Ab und zu wurden uns
ein paar Brocken trockenes Brot hingeworfen und eine Kelle Wasser hingehalten.
Die Wachen waren dabei aber ungeduldig und so musste man schnell sein, um das
Wasser trinken zu können, statt es über das Hemd geschüttet zu bekommen.
Die
Gefangenen saßen in Reihen zusammengekettet und sahen hauptsächlich den Rücken
des Vordermannes und die Personen rechts und links neben sich. Links von mir
saß ein älterer Mann mit langem Bart. Rechts eine Frau, deren Alter ich nicht
einschätzen konnte. Der Mann schien zur See gefahren zu sein, seine Sprache und
seine Stimme zeugten von Jahren auf Decks von Schiffen. Die Frau war klein und
drahtig und schien sehr in sich selbst zu ruhen. Ihre wenigen Äußerungen ließen
auf eine akademische Ausbildung schließen. Nicht, daß mir das Wort „akademisch“
damals bekannt war, aber ich konnte durchaus erkennen, ob jemand mehr im
Köpfchen hatte, als ich blutjunger Schiffsjunge.
Nach
einer gefühlten Ewigkeit hörten wir vom Oberdeck die Befehle, die einem
wenigsten ansatzweise erfahrenen Seemann anzeigten, daß das Schiff eine Pier
anlaufen würde. Tatsächlich spürten wir kurz darauf einen Ruck, wie er durch
ein Schiff läuft, wenn ein stümperhafter Kapitän oder Steuermann am Ruder
stehen.
Schon
kurz danach wurden die Gefangenen losgekettet und an Land getrieben. Das Schiff
hatte an einer hölzernen Pier festgemacht, die von einem Sandstrand aus ins
Meer lief. Dieser kleine Hafen lag in einer natürlichen Bucht und der Blick
hinaus auf das Meer lies mich irgendwie erahnen, daß wir uns auf einer Insel
befanden.
Man
hieß uns am Strand aufstellen und dann stand eine große, grobschlächtige,
rothaarige Frau vor uns und malte uns aus, wie unser Leben von nun an
auszusehen habe. Wir seien als Arbeitssklaven auf einer Plantageninsel von El
Barrakuda gelandet und seien nun sein Eigentum. Wer ordentlich und fleißig
arbeiten würde, würde es gut haben und immer genug zu fressen. Wer nicht schnell
genug auf Befehle reagieren würde, würde die Neunschwänzige, dabei zeigte sie
auf eine Peitsche an ihrem Gürtel, zu spüren bekommen. Und wer es nicht lernen
würde, der würde Bekanntschaft mit Don Alfonso machen. Dabei zeigte sie auf
einen Hünen, der neben ihr stand. Bei Hvalgud, der Kerl war riesig. Was der da
als Arme hatte, hatten andere als Beine. Er war glatzköpfig aber im Gesicht
unrasiert und zeigte, als er fies grinste, gelblich-braun verfärbte Zähne mit
einigen Lücken dazwischen. Genüsslich strich er über eine Doppelaxt, die an
seinem Gürtel hing.
Dann
bekamen wir schon unsere erste Aufgabe: wir sollten Tabakballen und Seilrollen
auf das Schiff verladen, was uns hierhergebracht hatte. Als ich mit dem ersten
Ballen auf dem Rücken die Gangway hochkletterte, sah ich am Heck eine Fahne
wehen, die nicht die goldene Krone von El Hammur zeigte. Beim Verlassen des
Schiffs sah ich genauer hin und erkannte das aufgerissen Maul eines Raubfisches
in silbern auf rotem Grund. „El Barrakuda“ schoß es mir durch den Kopf. Der
Mistkerl hat nicht nur den Namen von einem Raubfisch, sondern hat ihn auch
gleich auf seinem Jolly verewigt. Na gut, dachte ich bei mir. Den Namen und den
Jolly würde ich mir merken…
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