Mittwoch, 5. Juni 2019

Asleiv XI

So segelten wir los. Es war ein herrliches Gefühl, wieder auf See zu sein. Den Umgang mit dem ungewohnten Segelschiff lernte ich schnell, hatte ich doch sehr gute Lehrmeister.

Wer sich jetzt fragt, wieso ich so schnell über den Verlust des gesamten Clans und meines eigenen Vaters hinweggekommen bin, dem sei gesagt, daß ich durchaus in gewisser Weise um sie alle getrauert habe. Aber bei uns Donnoriern herrscht der Glaube an Hvalgud vor und Hvalgud holt, insbesondere von der See, die mutigsten und stärksten Donnorier zu sich. Ich vermisste natürlich die Freunde und meinen Vater, die Trauer fühlte ich jedoch hauptsächlich darüber, daß ich offensichtlich noch nicht wert war, zu Hvalgud gerufen zu werden. Nicht, daß wir eine Todessehnsucht haben, aber wenn jemand so offensichtlich ausgespart wird, macht man sich Gedanken.

Aber fürs Erste war ich froh, wieder auf See zu sein. Wir hatten uns aus den Plänen von El Barrakuda ein Schiff ausgesucht, was etwas kleiner als unser Eigenes war, in der Hoffnung, daß die Mannschaftsstärke unsere nicht überstieg.

Als der Gegner in Sicht kam luden wir die Aale und die Rotze und machten uns kampfbereit. Wir hielten direkt auf ihn zu und kamen längsseits. Alle Aale waren auf einer Seite des Schiffes angebracht und bestrichen das Deck des Gegners mit Bolzen. Mit unserer Rotze schossen wir einen Stein, der mit Absicht hoch angesetzt war und hauptsächlich die Reling des Gegners durchschlagen sollte, um Schrapnell über das Deck zu jagen. Wir wollten das Schiff selber nicht beschädigen, sondern wenn möglich übernehmen.

An Deck landeten wir einige Treffer, aber der gegnerische Kapitän war gewitzt und behielt seine Leute gut unter Kontrolle. Er nutzte seine erhöhte Position, um zu sehen, was wir auf unserem Schiff taten und gab seinen Leuten entsprechende Befehle. So konnten wir nicht ganz so viele Leute an Deck ausschalten, wie wir es gerne gehabt hätten.

Durch unseren Angriff lagen die beiden Schiffe Bug an Heck, an unserem Bug hatten wir einen Schützen stehen und auch Imja stand vorne. Der Schütze hatte aber anscheinend ein Problem mit seiner Armbrust. Er konnte nicht schnell genug nachladen, um den gegnerischen Kapitän auszuschalten.

Ich stand am Steuer und starrte abwechselnd zu unserem Schützen und dem gegnerischen Achterkastell. Imja stand mit den Händen an der Reling und schaute konzentriert auf das andere Achterkastell. Plötzlich hob sie die Hände und schien irgendetwas zu rufen. Ich konnte über den Kampflärm nicht hören, was sie sagte. Aber plötzlich schien sich ein Teil des gegnerischen Kastells in Luft aufzulösen. Teile der Reling, der Bordwand und anscheinend auch des Bodens waren verschwunden. Jetzt wurde mir klar, warum ich bei Imja öfter eine Gänsehaut bekam. Sie war eine Fingerfuchtlerin.

Ihr beeindruckendes Kunststück hatte den gegnerischen Kapitän ins Straucheln gebracht. Er fiel durch den fehlenden Boden in die darunterliegende Kajüte. Danach brach Chaos an Deck aus, ohne Führung waren die Gegner leicht überwältigt.

Das Schiff hatte keine Sklaven an Bord aber den Laderaum voll von Handelswaren. Wir hatten nur wenige aus der Besatzung am Leben gelassen. Die paar, die übrig waren, wurden in ein Beiboot gesetzt und in die Niederhöllen gejagt.

Wir segelten mit unserer Beute nach Skilla zurück. Die Waren konnte Imja gut verkaufen, so daß ich meinen ersten Beutel voll Dukaten als Anteil erhielt. Der hielt nicht lange vor. Das Schiff war, nicht zuletzt durch Imjas Fuchtelei, zu schwer beschädigt und konnte nicht repariert werden. Das störte uns wenig, wir legten das Schiff außerhalb der Stadt auf den Strand und machten unser Hauptquartier daraus…

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