Mittwoch, 22. Mai 2019

Asleif X


Skilla war genauso, wie Trom es uns beschrieben hatte. Ein dreckiges, lautes, stinkendes, verruchtes kleines Nest voll von Halsabschneidern, Huren, Piraten, Seefahrern und Abenteurern. Mit anderen Worten, genau unsere Stadt. Alle, die hier waren, hatten einen wichtigen Punkt gemeinsam: sie hielten die Freiheit hoch und hauten den Pestbeulen aus El Hammur auf die Fresse, wo es ging.

Es gab alles, was man brauchen konnte, Händler, Kneipen, sogar eine Schiffswerft. Unter der Oberfläche war Skilla eine funktionierende Stadt. Es gab einen Gouverneur, aber niemand wußte, wer ihn eingesetzt hatte. Der Magistrat bestand aus Händlern, die keine Scheu hatten, sich die Hände schmutzig zu machen und die nicht zu genau nachfragten, woher das Handelsgut stammte, was man ihnen anbot.

Unser Schiff, die La Perla, war im Hafen bekannt und demnach auch ihr Eigner. Das konnten wir am hämischen Grinsen des Hafenmeisters ablesen, bei dem wir die Liegegebühr entrichteten. Ich fragte trotzdem nach. Und in der Tat kannte er El Barrakuda. Er meinte, es hätte keinen falschen getroffen.
Imja kümmerte sich mit Tynda um den Verkauf der Waren, Tronde und ich sahen die Papiere und Logbücher durch und der Rest kümmerte sich um das Schiff.

Als Imja und Tynda wiederkamen, hatten sie einen Plan für unsere Finanzen entwickelt. Da wir weiterhin El Barrakuda um seine Waren bringen wollten und diese regelmäßig verkaufen würden, wollten wir uns ein Polster an Geld aufbauen. Von den Erlösen würde das Schiff ausgerüstet und verproviantiert werden, vom Rest würde ein Viertel aufgespart und der Rest davon würde gemäß den Anteilen auf die Mannschaft verteilt. Kurz gesagt erhielt der Kapitän, der bei den Südmeerpiraten Kulko genannt wurde, vier Anteile, die Offiziere drei, Ämter wie Zimmermann und Bordarzt zwei und die Mannschaft einen Anteil. Von dem aufgesparten Geld würden Reparaturen am Schiff und Entschädigungen für Verletzungen gezahlt werden.

Aus dem Logbuch konnten wir die Route der Perla entnehmen und daraus auf weitere Inseln schließen. Anscheinend hatte El Barrakuda ein Netzwerk von Inseln, die Waren für ihn produzierten. Eine ganze Flotte von Schiffen musste unterwegs sein, um alles einzusammeln. Wir konnten für den Moment weder sehen, wo er die Waren verkaufte, noch wo er selber sein Hauptquartier hatte.
Wir würden die Inseln beobachten und zunächst Schiffe von El Barrakuda angreifen, um mehr Material zu sammeln. Der angenehme Nebeneffekt war, daß wir weitere Handelswaren abgreifen würden. Imja hatte gute Kontakte in der Stadt zu verschiedenen Händlern aufgebaut.

Fürs Erste würden wir auf dem Schiff bleiben, wenn wir in Skilla waren, aber eine bequemere Unterkunft würden wir uns schnellstens suchen. In der Zwischenzeit würden wir auf jeden Fall in der Stadt verlauten lassen, daß wir Leute suchten, die sich uns anschließen wollten.

Trom hatte noch eine gute Idee, was den Namen des Schiffs anging. „La Perla“ war bekannt, wie wir an der Reaktion des Hafenmeisters gesehen hatten. Trotzdem würden wir den Namen nicht überpinseln, sondern eine Tafel mit unserem Namen „Schwarzer Kalmar“ anfertigen und darüber hängen. Wo wir schon dabei waren, würden wir noch ein paar Tafeln mit weiteren Namen herstellen und uns auch ein paar mehr Jollys besorgen.

Man konnte nie wissen, wann man eine gute Tarnung brauchte…

Mittwoch, 15. Mai 2019

Asleif IX

Wieder einmal stand der harte Kern unserer Unternehmung am Strand. Trom, Imja, Tynda und ich schauten auf unsere Beute, zwei Schiffe, während hinter uns die anderen den Sieg feierten.

Trom meinte, wir sollten so schnell wie möglich, spätestens am übernächsten Tag von hier verschwinden und mit beiden Schiffen nach Skilla fahren. Imja stimmte dem zu und meinte, wir sollten all denen, die nicht mit uns weitermachen wollten, einfach den Schnapper geben und ihres Weges ziehen lassen.

Ich überlegte und stimmte schließlich zu, wandte jedoch ein, wenn sich unsere Wege ohnehin trennten, warum dann alle nach Skilla mitschleppen. Sollten wir uns doch gleich hier trennen und jede Gruppe mit einem Schiff abfahren. Auf diesen Weg einigten wir uns schließlich.

Aber Tynda hatte noch eine andere Frage, nämlich was wir mit den Gefangenen im Bauch der Perla machen wollten. Darüber hatten wir anderen tatsächlich noch nicht nachgedacht. Ich persönlich habe kein Problem damit, jemanden zu töten, der mit der Waffe in der Hand vor mir steht, aber hilflose Gefangene abschlachten? Imja war zwar pragmatischer, aber Trom sah das genauso wie ich und so kamen wir überein, die Gefangenen einfach hier auf er Insel auszusetzen, wenn wir abreisen würden.

Am nächsten Morgen, oder eigentlich eher Mittag, als alle wieder aus dem Feierkoma erwacht waren, riefen wir alle am Strand zusammen und erläuterten unseren Plan. Letztlich wurde es so angenommen, auch wenn einige zuerst gemurrt hatten.

Trom und ich brachten die Gefangenen in eine der Hütten und sperrten sie vorerst dort ein. Wir würden die Tür zum Schluß entriegeln, wenn wir aufbrachen. Tynda und Imja durchsuchten nochmal die Kapitänskajüte des Schnappers, nahmen aber nur die Unterlagen mit, die mit El Barrakuda zu tun hatten. Seekarten hatten wir auf der Perla auch genug und die Wertsachen beanspruchte die andere Gruppe für sich, die erstaunlich schnell einen Kapitän gewählt hatte. Kurz danach brach der Schnapper auf.

Wir anderen beluden die Perla mit Proviant und allen Handelsgütern, die noch auf der Insel waren, befreiten die Gefangenen aus ihrer Hütte und sahen dann auch zu, daß wir wegkamen. Schließlich konnten wir nicht wissen, ob die andere Gruppe nicht irgendwem von uns berichten wollte. Man kann nicht vorsichtig genug sein.

Als wir die Insel hinter uns gelassen hatten, rief uns Trom alle auf dem Mitteldeck zusammen. Er meinte, es sei Zeit, uns einen Kapitän zu wählen, einen Namen zu geben und Regeln festzulegen. Als erstes sollten sich alle der Mannschaft nochmal vorstellen, die das Kapitänsamt beanspruchten. In meinem jugendlichen Übermut stellte ich mich auch in die Mitte und wollte Kapitän werden. Ich mache es kurz: die anderen wählten Trom. Sie wollten einen erfahrenen Mann an der Spitze. Der nahm mich danach bei Seite und sagte, es wäre wirklich besser, wenn ich ein paar Monate oder vielleicht sogar Jahre Erfahrung mehr sammelte. Daher wollte er mich zu seinem ersten Steuermann und damit Stellvertreter machen. Das verkündete er auch gleich der Mannschaft, die das lautstark begrüßte.

Imja wurde Zahlmeisterin und Tynda unsere Bordärztin, auch wenn sie keine wirkliche Ärztin war. Sie hatte uns aber schon auf der Insel einige sehr üble Wunden sehr gut versorgt.
Regeln gaben wir uns nur wenige. Die meisten beschäftigten sich mit der Beuteverteilung und wann der Kapitän die Mannschaft befragen soll über anstehende Entscheidungen.

Einen Namen hatten wir schnell und damit auch einen Jolly. Wir wählten den natürlichen Feind des El Barrakuda: den Schwarzen Kalmar…

Donnerstag, 9. Mai 2019

Asleif VIII

Endlich war der Tag gekommen, an dem das Schiff, was wir ursprünglich angepeilt hatten, ankommen sollte. Unsere erste Beute, das Schiff hieß „Kleiner Schnapper“, hatten wir hinter der Insel versteckt. Aus Rinandas Papieren hatten wir erfahren, daß das nächste Schiff „La Perla“ hieß und hauptsächlich Tabak und Seile übernehmen sollte, Vorräte für die Insel würde sie nur wenige mitführen.

Immerhin war es nützlich, schon einiges zu wissen, was wir nicht nur durch Beobachtungen herausfinden konnten. Die ganze Organisation von El Barrakuda schien sehr genau geplant und dokumentiert zu sein. In Rinandas Hütte fanden wir auch einen ganzen Stapel Briefe, der offensichtlich dem Kapitän der Perla mitgegeben werden sollte. Imja erwies sich hier als sehr hilfreich, sie konnte von uns am besten lesen und hatte auch genug Verstand, um Schlüsse aus dem Inhalt der Briefe zu ziehen.

Pünktlich mit der aufgehenden Sonne kam die Perla in Sicht und hielt auf den Steg zu. Wir achteten darauf, am Strand alles normal aussehen zu lassen. Der Kapitän der Perla und auch Teile der Mannschaft begannen die üblichen Spottrufe mit der vermeintlichen Wachmannschaft auszutauschen und als die Perla vertäut war, lies der Kapitän sofort die Gangway hinunter.

So weit so gut, sie schienen keinen Verdacht zu schöpfen.
Wir warteten, daß die ersten Matrosen die Gangway hinunter und zum Strand kamen. Ich stand bei den Hütten und behielt die Einfahrt der Bucht um Auge. Als dort der Schnapper auftauchte, zog ich den Säbel hervor und gab das Zeichen.

Plötzlich sahen sich die Matrosen, die an Land gekommen waren von bewaffneten Wächtern und Sklaven umringt. Die ersten fielen blutend in den Sand, bevor noch allen klar war, was hier passierte.
Der Kapitän der Perla, der schon halb die Gangway hinuntergekommen war, drehte sich um und rief seinen Leuten auf dem Schiff zu, die Aale klarzumachen. In diesem Moment schlugen aber schon die ersten Bolzen von unserem Aal auf dem Schnapper ein.

Der Strand war schnell wieder unter unserer Kontrolle, aber um die Perla mussten wir hart kämpfen und wir konnten froh sein, Unterstützung von See zu bekommen. Der Schnapper kam längsseits, als wir uns die Gangway hochkämpften und die Leute von dort enterten nun ebenfalls die Perla.
Trom und ich kämpften uns zum Heck durch. Wir hatten geplant, den Kapitän möglichst schnell zu überwältigen. Einerseits, um damit vielleicht die Moral seiner Leute zu brechen und sie zur Aufgabe zu bringen, andererseits damit ihm keine Gelegenheit blieb, eventuell wichtige Unterlagen zu vernichten.

Zu zweit stürmten wir in die Kapitänskajüte, als wir ihn auf dem Achterkastell nicht sahen und tatsächlich stand er an seinem Tisch und durchwühlte hektisch die Papiere darauf.
Trom machte kurzen Prozess mit ihm. Wir nahmen seinen Säbel und gingen damit zurück an Deck. Wie erhofft brachte die Kunde vom Tod ihres Kapitäns die restliche Mannschaft dazu, den Kampf einzustellen. Wir setzten die Überlebenden im Unterdeck gefangen und versprachen ihnen, sie laufenzulassen, wenn sie keinen Widerstand mehr leisten würden. Die verletzten Gegner erlösten wir von ihrem Leid, wir konnten ohnehin nicht alle retten und unsere Leute gingen nun mal vor.
Von den ehemaligen Sklaven hatte einer einen Arm verloren und fünf hatten es nicht geschafft. Wir bestatteten sie am Strand. Der Rest hatte nur die üblichen Blessuren und Schrammen nach einem Kampf davongetragen. Wir hatten es wieder geschafft, nun hatten wir zwei Schiffe…

Donnerstag, 2. Mai 2019

Asleif VII


Jetzt kamen wir an einen ersten kritischen Punkt unserer Gruppe. Ein Teil der Sklaven wollte das eroberte Schiff nehmen, von der Insel verschwinden und einfach irgendwo frei sein.

Imja, Tynda, Trom und mir war jedoch klar, daß das darauf hinauslaufen würde, daß sie das Schiff im nächsten Hafen versaufen und schnell wieder in Ketten liegen würden. Wir kamen schnell überein, daß wir einen nachhaltigeren Plan haben wollten. Wir vier, und noch einige der anderen, wollten Rache an El Barrakuda. Allen war jedoch klar, daß das eine langfristige Angelegenheit war und nicht über Nacht erledigt.

Wir überzeugten die anderen, die einfach nur schnell weg wollten, mit uns auf das Schiff zu warten, was wir eigentlich übernehmen wollten. Danach würden wir alle mit hoffentlich beiden Schiffen nach Skilla segeln und einen Weg finden, die auszuzahlen, die nicht mit uns Rache nehmen wollten.
Skilla war uns von Trom vorgeschlagen worden. Die Stadt wurde von Freibeutern dominiert und lag an der nach ihr benannten Meerenge gegenüber von Kariba.

Letztere war dem schwarzen Bund mit den El Hammurner Pestbeulen beigetreten. So herrschte eine Art wackeliger Waffenstillstand zwischen den beiden Städten. Keiner wollte einen Krieg direkt vor der Haustür, daher ließ man sich gegenseitig in Ruhe, beobachtete die ein- und auslaufenden Schiffe jedoch mit Argusaugen.

Trotzdem beschrieb Trom uns Skilla als idealen Unterschlupf für unser Vorhaben, wir konnten uns dort unter die anderen Freibeuter mischen und uns in Ruhe eine Basis und einen Rückzugsort aufbauen.

Wir konnten die anderen davon überzeugen und begannen, einen Schlachtplan zu entwickeln. Wir wollten das zweite Schiff nutzen, was uns durch Zufall in die Hände gefallen war. Es war mit Aalen und einer Rotze ausgestattet. Die Rotze stand am Bug und konnte sowohl nach backbord als auch nach Steuerbord austeilen. Die Aale waren flexibel und konnten überall an der Reling angebracht werden. Wir teilten eine Besatzung für das Schiff ein und ließen sie das geplante Manöver üben.
Der Rest würde sich zum Teil als Wächter verkleiden und wir würden die erwarteten Handelsgüter am Strand aufstapeln, damit alles normal aussah.

Wir hofften, die Schiffsbesatzung an Land locken zu können und dann am Strand zu bekämpfen. Das zweite Schiff sollte sich hinter der Insel versteckt halten und dann herumsegeln und uns von See aus unterstützen.

Und wer sich wundert, was das für Geschütze sind: ich kannte die auch noch nicht. Aale sind eine Art große Armbrust die halbautomatisch Bolzen verschießt. Rotzen sind Katapult-artige Waffen, die verschiedene Geschosse, Steine (groß oder klein), Tontöpfe mit brennbarem Material, oder verschiedene Kugeln verschießen kann. Beides gab es in verschiedenen Größen von leicht über mit und schwer bis teilweise überschwer. Wobei wohl höchstens schwere Waffen auf Schiffen eingesetzt wurden, die Überschweren Varianten waren für den Kampf an Land gedacht.

Wir hatten nun alles vorbereitet und mehrfach geübt, nun hieß es warten…