Samstag, 30. Dezember 2023

Mein LARP-Jahr 2023

 

Weil das Jahr 2023 einige besondere LARP-Momente hatte, habe ich mich entschlossen, erstmals einen Jahresrückblick zu schreiben. Ich gehe dabei durch meinen Kalender und schreibe mal auf, was mich so bewegt hat. Dabei geht es nicht ausschließlich um Cons, sondern um alle Termine, die irgendwie mit LARP zu tun haben.

Da wäre als erstes ein Termin im Januar, als wir uns in Hamburg mit Janny und Conni zum Essen getroffen haben. Es kommt selten vor, daß ein Treffen klappt, wenn andere LARPer im Norden unterwegs sind. Umso mehr habe ich den Abend mit den beiden lieben Freundinnen und meiner Frau in der Hamburger Fischerstube genossen.

Im März ging es weiter mit den Planungen der Blauen Vorcon und entsprechenden Discord-Konferenzen. Das Piratenlarp im Blauen Lager des Drachenfestes gehört zu meinen liebsten Veranstaltungen. Die Arbeit in der Orga für die Blauen Vor- und Nachcons macht mir unheimlich Spaß und weil wir dort ein supertolles Team sind, kann ich mich in der Orga auf den OT-Teil beschränken und muss nicht den ganzen Plot kennen und kann den also auf den Cons mit „bearbeiten“.

Am 1. April stand eine Tour zum geplanten Gelände der Vorcon an, zusammen mit Marcel haben wir uns den Zeltplatz angesehen, um zu entscheiden, ob der passt. Und das tat er. Was man eben so am Samstag macht, halt insgesamt 6 bis 7 Stunden Autofahren, um 20 Minuten im Regen über einen Zeltplatz zu laufen.

Dann im April zum dritten Mal in den Wilden Westen nach Forrest Town. Dieses miese kleine Drecksloch hat mir einige der schönsten Momente meines LARP-Lebens verschafft. Auch diesmal war es eine Achterbahn der Gefühle und zum zweiten Mal ist ein Charakter von mir gestorben. Aber es hat sich gut angefühlt und es hat gepasst. Dieser Mann, Bud Flannigan, hat alles verloren. Auf der Con davor die Liebe seines Lebens, auf dieser Con seine beste Freundin (vor seinen Augen erschossen). Als wir Annie beerdigt haben, fiel sein Blick auf dem Friedhof auf das Holzkreuz von Pat (die Liebe, die auf der Con davor gestorben ist) und da war es eigentlich mit dem Charakter vorbei. Ich hatte eine schöne Szene auf dem besagten Friedhof mit einer „Whiskey“-Flasche. Die war tatsächlich so emotional anstrengend, daß ich am Con-Freitag um 22 Uhr im Bett lag. Am Samstag ist Bud dann selber draufgegangen und es war toll. Danke, Slami!

Im Mai dann die Blaue Vorcon. IT in Asleifs neuer Siedlung auf der Blauen Insel. Und kaum ist Asleif Gouverneur, wird er auch schon in die Ehe getrickst. Noch so ein besonderer Moment in diesem LARP-Jahr, eigentlich sollten es nur ein paar TL werden, aber dann stand der Hüter der Insel vor uns und Asleif hat plötzlich ne Frau und Jona nen Nachnamen. Ich bin schon gespannt, was passiert, wenn Jona den Captain kennenlernt.

Im Juni haben wir uns mit zwei anderen lieben LARPer-Freunden, Jana und Kevin, zum Sushi-Essen getroffen. Meine Frau ist bei sowas immer gerne dabei, nur bei Cons halt nicht. Ich weiß nicht, ob Jana mich da schon für ihre Wizarding World Con angeheuert hatte, ich glaube fast ja. Jedenfalls war das Sushi lecker und die Gespräche spannend.

Im Juli dann recht spontan nach Tortuga gereist, weil es mit dem ZDL nicht geklappt hat. Ich war vor Jahren einmal auf Tortuga und hatte nicht die besten Erinnerungen an die Con. Ich lagerte hier bei der Void Wind Crew, der Crew meiner IT-Frau Jona und diesmal war die Con viel besser. Es waren viel mehr Crews aus dem Blauen Lager vom Drachenfest vor Ort, ich hatte einige schöne Szenen inklusive eines Duells, was meine IT-Frau mir eingebrockt hat und mein Sekundant in eine Einladung zum kulturellen Austausch beim Rumkapern-Tasting bei Slow Harry von der Bloody Mary wandeln konnte. Beim allgemeinen Boxturnier habe ich mir leider die Schulter geprellt, als ich mich auf den Boden geworfen habe. Davon hatte ich noch einige Zeit etwas.

Ebenfalls im Juli habe ich von Mandy, die auch bei der Caida spielt, mein sechstes Tattoo erhalten, genauer gesagt die erste Session. Ein tolles Handpoke auf der rechten Brust von einem Segelschiff vor einem riesigen Mond. Ich liebe es. Die erste Session dauerte sechs Stunden und sowohl Mandy als auch ich waren durch danach. Aber Handpokes heilen bei mir sehr schnell.

Dann Ende Juni das Haupt-Event meines LARP-Jahres, das Drachenfest. Diesmal haben wir kurz davor erfahren, daß das Blaue Lager den Lagerplatz mit dem Grünen Lager tauschen würde. Nach Jahren direkt an der Stadt und an den Duschen eine heftige Umstellung, letztlich war es nicht so schlimm, wie befürchtet. Die Lasersonne blieb aus und es war insgesamt regnerischer als im Jahr davor, aber zum Glück kein Schlammageddon 2.0, auch wenn ein heftiger Sturm am Anreisetag einige Zelte im Kupfernen Lager geschrottet hat. Zum Glück wurde niemand schwer verletzt, soweit ich weiß. Auf dem Drachenfest hatten wir eine sehr schöne Szene mit dem Kupfernen Hohepriester, den wir (verabredet) entführten und im Caida-Lager bearbeiteten. Da wir ihm den Blauen Weg nicht in den Kopf prügeln konnten, haben wir ihm den Caida-Jolly und meinen IT-Namen auf den Rücken tätowiert und „Oben-Ohne“ nach Hause geschickt. Nun gibt es einen Steckbrief von Asleif im Kupfernen Lager. Ich bin sehr gespannt, was sich daraus noch entwickelt.

Der August begann mit einer Geburtstagsfeier in Wiehl bei Beate und Meter. Trotz langer Anreise war es eine schöne Feier. Die beiden haben ein traumhaftes Grundstück.

Sonst gab es im August diverse Planungscalls für die Nachcon.

Im September war ich auf dem Barschenfest, die zweite Hauptcon für die Piratencrew. Leider habe ich vom Autovermieter keinen Kombi bekommen, weswegen ich den Plan, im Auto zu schlafen kurzfristig aufgeben musste. Da leider einige Crewmitglieder kurzfristig nicht anreisen konnten, konnte ich einen Schlafplatz in der Unterkunft übernehmen. Auf der Con selber hatten wir ein Turnier, Pirate Style, bei dem ich natürlich teilnahm und ein langjähriger Charakter eines anderen Spielers ist ermordet worden. Wir hatten ein bisschen Beef mit der Tir na Nog, also alles in allem viel Spaß!

Eine Woche später ging es direkt mit der Blauen Nachcon weiter. Mein Highlight hier der Blauschach-Boxkampf gegen Shorty, der Boxmeister des Blauen Lagers gegen den Blauschach-Großmeister des Blauen Lagers. Mit Shots zwischen den Runden. Das Ganze endete in einer Massenschlägerei und wir haben uns die Wetteinsätze mit dem Veranstalter geteilt, also typisch blauer Ausgang.

Ich war zwischenzeitlich noch für eine weitere Wizarding World Con als NSC angeheuert worden und die ersten Calls dafür hatten wir auch im September.

Im Oktober war es dann so weit, Aurorenlarp auf Gut Orla. In vielerlei Hinsicht eine Premiere. Erste Wizarding World Con, erste Con auf dem Gut und damit erstmals nur ne schlappe Stunde Anfahrt. Das Gelände hat mich nicht überzeugt, die Con, Orga und Spieler dafür umso mehr. Ich habe mich selten so gut und nahtlos in eine LARP-Community aufgenommen gefühlt, wie hier. Holger fiel leider kurzfristig aus, unseren geplanten Einsatz-Sim Unterricht musste ich mit einem Ersatz NSC halten, das hat aber auch toll geklappt. Highlight waren die plötzlich aufgeschlitzten Kehlen im Einsatz-SIMULATIONS Unterricht und die Springer Auftritte als verletzte NSC.

Zwei Wochen später NSC-Einsatz auf der Eulenpost Gründerzeit. Druide zusammen mit XL. Cool, mit ernstem Blick über das Gelände zu gehen und giftige Blicke mit Salazar Slytherin auszutauschen. Highlight der Kampf mit dem abtrünnigen Druiden (Peter, wie immer super) und ein Springer-Einsatz, sterbender Vater eines Spielers, sehr schöne Szene.

Damit brach die Winterpause an, außer ein paar Orga Calls lag nichts mehr an. Anfang Dezember nochmal zu einem Geburtstag nach Wiehl, diesmal von Kathi und bei Minusgraden und Schneefall an der Feuertonne im Garten von Meter und Beate. Ich habe mich sehr gefreut zum Jahresabschluß nochmal einige liebe LARP-Freunde zu sehen.

Zuletzt hat Mandy mir im Dezember noch das Tattoo vom Segelschiff fertig gemacht und damit endet mein LARP-Jahr 2023.

Es gab viele erste Male, viele Highlights und ich liebe jeden einzelnen Moment davon. Ich freue mich auf nächstes Jahr.

Guten Rutsch!

Samstag, 4. Januar 2020

Zwischenspiel II


Ja, es wird auch irgendwann mit Asleifs Geschichte weitergehen, aber erstmal ein leicht Off Topic Posting. Es geht immerhin auch um eine Art von Rollenspiel...
Viel Spaß mit:
Der Werbespot
Die Amateurtheatergruppe, in der ich zu der Zeit aktiv war, wurde von einer Casting-Firma angesprochen, man suchte Statisten für einen Werbespot, die Interessenten sollten sich zu einem bestimmten Termin am Rathaus in Lüneburg einfinden. Dort wurden wir kurz gefilmt und sollten dabei etwas über uns erzählen und was wir im Theater schon gemacht hatten.
Danach geschah eine ganze Weile nichts, ich hatte das schon völlig vergessen. Dann erhielt ich plötzlich einen Anruf, dass man mich für den Spot haben wolle. Als der Anruf kam, war ich gerade auf dem Weg in ein von der Firma bezahltes Excel-Seminar. Zwischen Tür und Angel musste ich die Terminplanung machen und für Urlaub sorgen. Ich sollte für drei Drehtage, Montag bis Mittwoch eingesetzt werden. Pro Tag gab es 80,00 D-Mark.
Der Urlaub war genehmigt, Drehtage standen fest und es wurde zu einem ersten Kostüm- und Maskenprobetermin eingeladen. Meine Größe und mein Umfang machten beim Kostüm natürlich Probleme. Hemd und Weste waren relativ schnell und einfach gefunden, nur eine passende Hose hatten die Mädels nicht. Eine schwarze Hose, mit gehefteten Seitennähten riss mit sattem Ratschen ein, als ich sie probeweise anzog. Trotzdem wollte der Regisseur eine Testaufnahme mit mir machen, da ich sogar eine Szene mit Großaufnahme spielen sollte. 
Also ging es in einem leidlich passenden Hemd, einer Weste und der in Fetzen um die Beine hängenden Hose raus zum Probedreh. Ich sollte „blöd“ in die Kamera gucken und einen Eimer umgekehrt auf den Boden stellen. 
Anscheinend gelang mir das ganz gut, denn die Szene sollte gedreht werden.
Dann ging es los, das erste Mal auf einem professionellen Filmset. Was zuerst auffällt: es geht um Details. Der Drehort ist ein alter Gutshof hinter Amelinghausen. Einer der Orte von denen man sagt „hier ist die Zeit stehengeblieben“. Es ist unglaublich, was eine Filmcrew bedenkt und ändert, wenn sie an einem solchen Ort eine Szene aus den 20er Jahren dreht. Das Ortsschild wird abgebaut und der Pfosten hinter angelehnten Holzstangen versteckt. Ein Hinweisschild für die Wasserentnahmestelle für die Feuerwehr verschwindet hinter einem Busch. Laternen werden abgebaut. Die Zufahrtsstraße aus Teer und wird auf 800 m mit Sand abgedeckt.
Der zweite Eindruck ist: Filmdreh heisst warten. Das Einrichten einer Szene dauert. Als „Hintergrund“ hat man eine kurze Aktion durchzuführen. Zunächst einmal zur Probe, dann wird alles eingerichtet und dann macht man gefühlte 20 mal immer das Gleiche. In meiner ersten Szene hatte ich Stühle ca. 5 Meter weit zu tragen. Immer wieder. Und dazu noch ein einer äußerst unbequemen Haltung. Da ich nämlich später eine Großaufnahme hatte, musste ich einen Stuhl auf der Schulter tragen, so dass er mein Gesicht bedeckte.
Dazu kam die Hitze. Es war sowieso schon ziemlich warm und die Scheinwerfer trugen ihres dazu bei. Ja, die Scheinwerfer. Auch bei einer Tagszene außen bei strahlendem Sonnenschein wurden Scheinwerfer eingesetzt. Solche großen Filmscheinwerfer verbreiten  eine ziemliche Hitze.
Ein Filmset ist auch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Also mindestens zwei Klassen. Die Produzenten und engsten Mitarbeiter des Regisseurs bekamen eisgekühltes Obst. Wir Statisten bekamen immerhin Wasser. Das war zwar eine Evian-Flasche, aber die wurde aus dem Wasserhahn auf dem Hof aufgefüllt. Wenigstens gab es in der Mittagspause warmes Essen von einem Caterer für alle und das war gar nicht mal schlecht.
In zwei Drehtagen habe ich Hufeisenwerfen gespielt, Stühle getragen, einer Blondine einen Eimer als Tritt hingestellt, stundenlang gewartet, gejubelt, echte Wurstwaren und falsches Bier betrachtet und mich gelangweilt. Im fertigen Spot, sieht man mich der Blondine einen Eimer hinstellen, damit sie besser auf die Bühne steigen kann, um einen Orden zu verleihen. Und das auch nur im Director’s Cut. Mein Vater war sogar in der Fernsehfassung zu sehen, auch wenn man dafür scharf aufpassen und wissen musste, wo man hinschauen muss.
Ich habe den dritten Drehtag dann nicht mehr mitgemacht, weil es mir tatsächlich zu anstrengend war. “Meine” Szene hatte ich ohnehin abgedreht und es wäre auf einen weiteren Tag als “Hintergrund” hinausgelaufen.
Während einer Umbaupause habe ich mit mit einem der Beleuchter unterhalten, der mir von seiner fingerdicken Lohnsteuerkarte am Jahresende erzählt hat, Festanstellungen gibt es in der Branche so gut wie gar nicht, und der wiederum meinte, so ein Außendreh wie dieser sei für die Crew durchaus mal ein Highlight. Bei Werbefilmen würde man sonst tagelang in dunklen Ateliers stehen und Suppendosen dramatisch ausleuchten. Selbst ein Pornodreh, den er auch schon beleuchtet hatte, wird nach den ersten Stunden schnell langweilig...
Spannend war es allemal, sowas mal mitzumachen (den Werbespot, nicht den Pornodreh). Aber ich habe dabei auch gemerkt, daß das keine Dauerbeschäftigung für mich wäre.


Mittwoch, 7. August 2019

Sivar V


golden. Klingentanz.
Meine Hand hält ein Schwert. warum, das weiß ich selbst gerade nicht ganz wirklich. aber ich spüre das unebene Leder in den Handflächen. fühle die ungewohnte Schwere der Klinge. ich sehe kaum, wer vor, wer neben mir steht, höre nur des Krieges Lied, überall um mich herum. die Welt ist ein verschwommenes Farbenspiel nur. verworren, doch harmonisch auf unserer Seite. geordneter, wütender und so unglaublich dissonant auf der anderen.
Die Klinge scheint eher noch als ich zu wissen, wo der Feind ist. und schwingt, in meinen Händen doch, wenn er zu nah kommt. ich tanze nicht durch diese Schlacht, wie ich es sonst tue, wenn ich mit dem Schwert statt dem Wort in den Krieg ziehe. zielstrebig diesmal, ohne wirklich zu sehen. in den Feind, ohne zu zögern, ohne Bewußtsein für die Gefahr. und doch soviel bewußter, soviel ruhiger….langsamer fast. als würde diese Klinge in meinen Händen mich führen an diesem Tag. und ich lasse sie. keine Wut in mir, kein Zorn, der mein Handeln bestimmt. nur das Wissen, dass diese Klinge diese Schlacht hätte sehen sollen, und dass ich es möglich mache. Ruhe. in jedem Augenblick. in jedem Schritt. in jedem Hieb der Klinge. in jedem Schrei eines Drachenlosen. in ihrem Blut, das ich doch kaum bemerke.
Hin und wieder tanzt ein Funken Bewußtsein in mir, wenn ich jene treffe, die ich lange schon kenne. gut genug kenne. wenn ihr Blick den meinen sucht. und so wenig nur findet. trotz dem Fehlen der Maske, die mir Begleiter wurde in den Schlachten Elitawanas. und ein Funken Trotz in meinem kaum merklichen Lächeln, wenn ihr Blick die Klinge trifft, die ich trage. und doch nur so wenigen von ihnen klar wird, was falsch ist, an dem Bild, das sie dort sehen.
Keine Worte finde ich in dieser Schlacht. ich, die doch niemals wortlos kämpft. Keine Worte in mir. Nicht für die Drachenlosen. nicht für die unseren. nicht einmal für mich selbst. Nur die Klinge, die mich führt. und die Ruhe, heiß und trocken, niemals eisig, die mich trägt. die keinen Gedanken zulässt, als den nächsten Schritt, den nächsten Hieb und den Halt meiner Hände um den Griff der viel zu langen Klinge.
Der Klinge, die mich mehr führt als ich sie. Keine Freude am Kampf an diesem Tag. Nur das Wissen, dass jemand tun sollte, was ich tue. Warum? das weiß ich nicht. und es kümmert mich nicht. so ungewohnt diese Klinge meiner Hand ist, so unbeholfen ich vermutlich damit bin, alles in mir weiß, dass dies ist, was ich tun will. tun sollte.
also tue ich es.
und erst als des Roten Schwingen leichter werden um uns, als es still wird auf dem Feld, tasten erste Gefühle sich zurück in mein Sein. Die Schwere der Klinge. Das Brennen in meinen Augen, meiner Kehle. Erschöpfung, die immer deutlicher nach mir greift.
Dann sind die Drachenlosen fort. und noch immer ohne nachzudenken, finde ich den Weg zurück. An den Rand der Wiese. Dort bei den Zelten.
Noch immer schweigend knie ich nieder, sehe zum ersten Mal das Blut, das frisch nun von der Klinge rinnt. spüre nun endlich wieder das schmerzhafte Ziehen der doch kaum verheilten Pfeilwunde in meiner Seite. Ich zwinge meine Finger, verkrampft und unwillig, vom Griff des Schwertes. und wieder brennen Tränen, stiller aber als zuvor, in meinen Augen, als ich die Klinge wieder ihm gebe, der sie doch nicht mehr führen vermochte.
Erste Worte finde ich, heiser und brennend in der staubtrockenen Kehle, als ich mein eigenes Schwert, die kurze, so vertraute Klinge vom Boden neben Siwar aufnehme.
"Sie hat die Schlacht gesehen, cyfaill, die sie doch hätte kennen sollen."
dann bricht mir die Stimme. und das Schweigen hat mich wieder.

Mittwoch, 31. Juli 2019

Sivar IV


golden. Morgenlicht.
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Ich bin kein Heiler. aber selbst mir sagt die Wunde unter meinen Fingern, dass Nadel und Faden es hier nicht tun werden. Niloufar sieht mich an, die Hand in der Heilertasche. Ich schüttele nur verzweifelt den Kopf. soviel Zeit haben wir nicht.

Mein Blick trifft wieder den Siwars, dessen Augen sich fast schon wieder schließen. Handeln. Jetzt. "Vertrau mir!" ein Flehen mehr als eine Bitte. und doch findet sie noch einen winzigen Funken Antwort in seinen Augen.

Ich atme tief ein – mehr Vorbereitungszeit habe ich diesmal nicht -, greife mit der von den eigenen Wunden noch blutigen Hand tief in die Wunde in seiner Seite, spüre sein Blut über das meine rinnen und lasse los. Lasse alles los. Mit Worten, Stoßgebeten, laut und leise und ungesagt, lasse ich alle Kraft los, die ich noch habe, all meinen Willen zu leben, die helle Flamme meines Glaubens. Für ihn. den Felsen im Ansturm unserer Feinde. für ihn, den Helden meines Wegen. Für ihn…….der mir Freund wurde. so unerwartet. der mir vertraut.

Und urplötzlich kann ich spüren, wie meine Kraft ihn trifft. erahne, wie unter dem Blut Haut zu Haut findet. Wie nicht länger sein Leben mit jedem Herzschlag aus ihm herausrinnt. Kann des Goldenen Schwingen um uns beide spüren. der uns zusammen hält. der möglich macht, was ich gebe.

und als das, was ich gebe, das, was er ist, umarmt, ist es plötzlich, als würden wir uns ansehen. und die Worte, die seine Kehle nur noch flüstern kann, hallen wie ein Echo in der Kraft zwischen uns. "es ist gut…" er öffnet noch einmal langsam, viel zu langsam die Augen. und die Ruhe, die ich darin sehe, droht mich zu zerbrechen. in diesem Moment, den ich nicht wahrhaben will, muss ich vor mir selbst zugeben, was ich doch schon seit vor der Schlacht ahne. und es ist ein Messer in meiner Seele. mein Protest ist mehr ein Wimmern denn verständliche Worte. und ich flehe den Goldenen, den Drachensang an. Federleicht spüre ich Siwars Lied im Sturm meiner Kraft. "ich kann ihn rufen hören…" und er, der soviel mehr ist, als ich es jemals zu sein vermag, lehrt mich noch in diesem Augenblick, wohin der Weg führt. und ich folge ihm.

Das leise Echo seines Liedes klingt neben dem meinen jetzt. und ich verstehe. verstehe, was ich tun muss. was ich tun will. Tränen verschleiern meine Sicht. aber ich stille den Fluss meiner Kraft. "vertrau mir…" ein Flüstern kaum, und doch spüre ich, wie er, der mir doch schon entgleitet, innehält. und in diesem Atemzug schenke ich ihm, was wir ihm längst hätten geben sollen.

Ich finde Worte für ihn. Worte, die dort, wo der Goldene uns in diesem Moment zusammenhält, zu Bildern werden. Ich schenke ihm Erinnerungen, an das, was sein wird. Kraft für den Weg, der jetzt vor ihm liegt. und so flüstere ich, die Stimme heiser vor Tränen, von den Wäldern und Berghängen, von den Dörfern und Küsten der Insel, die zu seiner Zeit Osarien hieß. und ihrer Schönheit. von der Stille des leeren Schlachtfeldes unter dem Sommermond. vom Schatten eines Tores, stark und fest gegen den Feind. und vom Sonnenaufgang, der das Gold des Banners über dem Tor zum Leuchten bringt.

als die ersten Sonnenstrahlen durch das Bild, das nur wir beide sehen, fallen, findet sein letzter Atemzug ein Lächeln.

und meine Trauer bricht sich Bahn.

Mittwoch, 17. Juli 2019

Sivar III

golden. überall.
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Längst ist der Schmerz in der Seite nicht vergangen, auch wenn der Pfeil meinen Körper unlängst wieder verlassen hat.

Zuviele Hände hatten mich durch die Reihen gezerrt. Hatten nicht verstanden, was passiert. Niloufar schließlich findet Leanna, die mich fängt, als ich vor ihr ins Gras sinke.

Geübte Heilerhände entfernen den Pfeil, kippen aus mir völlig unverständlichen Gründen Wasser über meine Seite. Als ich das nächste mal versuche, aufzustehen, gibt Leanna nach. wirft das Heilermesser zur Seite und zieht mich in ihre Arme. Ich spüre ihr Zittern, höre den tiefen Atemzug, den sie nimmt. Ihre Worte jedoch sind nicht das rote Feuer, der Tatendrang, der Schlachtensang, den ich erwartet hatte. Mit ihren Worten blüht mein eigener Weg in mir, spüre ich zum ersten Mal das, was ich anderen bin. Mein eigener Glaube erhebt sich, findet Schwingen, goldene Schwingen und Willen. und Kraft. Wie Sonnenlicht. Wie Wüstenwind. Es ist nicht alles, aber es ist genug. Genug, um stehen zu können. Genug, um laufen zu können. Genug, um diesen standhaften, mutigen, wahnsinnigen Helden meines Weges suchen zu können. Ich suche Worte für meine Dankbarkeit, meinen Stolz auf sie, bin aber nicht einmal sicher, ob ich nicht stattdessen nur Unsinnslaute herausbringe. Leanna nickt nur, Erschöpfung auch in ihren Augen, und schiebt mich in Richtung der Schlacht.

Als ich vorwärts gehe, folgt mir Niloufar auf dem Fuße und ich habe weder Kraft noch Willen genug, ihr zu sagen, sie solle doch bleiben. helfen. heilen. sicher, hier am Rande der Schlacht. Für Worte reicht es immer noch nicht, aber ich greife nach ihrer Hand und sie versteht, dass ich nicht nocheinmal zulassen werde, dass die Schlacht uns trennt.

Dann laufen wir. zwischen allen Linien. suchend, immer suchend. wen ich kenne, den frage ich nach Siwar. doch die, die mich überhaupt hören können, schütteln nur den Kopf. weiter und weiter. Mein Blick wandert über Schlachtfeldrand und Schildwall. über die verschiedenen Truppen des Feindes. und dazwischen. ich ziehe nicht einmal die Waffe. wozu auch. ich halte ja nicht einmal lang genug still, um einen Schlag zu führen oder abzuwehren. Meine Seite brennt noch immer, aber mit keinem Worte, keiner Geste werde ich es erwähnen. es ist nicht wichtig.

Dann endlich. Dort. Hinter all den Kriegern. ihren und unseren. am fernen Rand der Schlacht, kurz vor den Zelten sehen wir ihn. am Boden. der direkte Weg dorthin führt allerdings durch eine Armee drachenloser Roter. die uns, und unsere Schlachtreihen immer weiter fort drängen. ich fluche wie lange schon nicht mehr. Niloufars Hand in meiner erinnert mich allerdings daran, dass ein gewagter Vorstoß im vollen Lauf auch kein valider Plan ist. und so lassen wir uns drängen. treiben mit den Schlachtreihen, nutzen jeden Schritt, jede Lücke, jeden Meter, der uns der anderen Seite näher bringt. ein Ziel nur hatten wir als die Schlacht begann. und ein Meer aus Drachenlosen versucht uns nun daran zu hindern. ein Knurren steigt in meine Kehle, aber nicht der Rote ist es, noch der Grüne, der meine Schritte hier leitet. nicht Jäger noch Krieger an diesem Tag. Hüter nur. eines einzelnen Lebens.

und dann ist der Weg frei. so frei wie er in einer Schlacht eben sein kann. und unser ausweichender Tanz wird zum gradlinigen Lauf. So kurz ist die Strecke eigentlich, so schnell sind wir dort.

Siwar liegt am Boden, Blut tränkt Mantel und Hemd. die stolze Klinge in der Hand. wir sinken neben ihm zu Boden. Niloufar öffnet die Heilertasche, mein Blick zählt die viel zu vielen Wunden unter dem Blut. die Fingerspitzen meiner Hand suchen nach den fühlbaren Zeichen von Atem und Leben in ihm,

und als meine Finger das Blut an seinem Hals berühren, zuckt er. als ich die tiefe Wunde dort finde, öffnet Siwar die Augen. und sieht mich an.

Donnerstag, 11. Juli 2019

Sivar II


golden. Schlachtensang.
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Kaum drei Schritte weit sind wir gekommen, da brodeln die Schlachtreihen auch schon um uns herum. Feinde aus allen Richtungen zersprengen die Schildreihen, die wir bilden. Siwar aber findet immer einen Weg. Im Gegensatz zu mir reicht er aber auch weit über die Reihen unserer Streiter. Wo ich normalerweise jede Lücke im Getümmel auszunutzen weiß und in ständig wechselnder Richtung durch die Reihen schlüpfe, geht er einfach hindurch. In seiner ihm eigenen Ruhe. Mein Blick gilt ihm und Niloufar gleichermaßen. Könnten doch beide nicht unterschiedlicher sein. Wo er vor mir die Ruhe selbst ist, tanzt Niloufars Blick in alle Richtungen, wirkt sie noch graziler als sonst, hier zwischen all den Kriegern.

Was auch immer geschieht, ihr Wissen und meines werden dafür sorgen, dass der Held des goldenen Weges diese Schlacht überlebt. Mehr ist nicht wichtig. mehr ist nicht zu tun. und so wehre ich nur ab, was mich treffen würde. so folgen wir Siwar durch die Reihen und die Schlacht. Seine Klinge, ein Zweihänder entsprechender Größe, liegt blank, funkelt im Sonnenlicht. Keine Wolke steht am Himmel. Golden ist die Sonne, die uns fast schon osarische Hitze bringt. Nicht nur der Rote ist heute bei uns, so scheint es.

Als mir klar wird, wohin unser Weg geht, rufe ich nach vorn. Als Siwar unsere Schlachtreihe hinter sich lässt, rufe ich lauter. Ein Blick über die Schulter, einen Wimpernschlag der Ablenkung, den ich zulasse, zeigt mir, wie Niloufar zögernd, zweifelnd, aber dennoch soviel mehr Verstand als ich zeigend, in unseren Reihen bleibt. Dann sehe ich wieder Siwar, spüre das Moor, dass das Lied der Drachenlosen um mich herum ist. Die doch Abstand halten. Meine Stimme schafft es kaum über den Schlachtenlärm, will den Mann vor mir allein durch Worte zurückholen. und weiß doch, er hat schon andere Schlachten geschlagen, sie alle überlebt. wissend, was er tut. golden und grau. jede Tat abgewogen.

Auf den Schilden vor uns leuchtet das Gold, das ihr Zeichen trägt. Schwert und Waage. das eine das andere zerbrechend. Es kommt mir nicht einmal in den Sinn, dass es völlig wahnwitzig ist, dass ich noch am Leben bin. Ich weiß nur, dass das, was da vor mir geschieht, alles andere, als eine gute Idee ist.

Ich hebe noch einmal die Stimme. Keine Worte als sein Name. und die verzweifelte Hoffnung, dass er mich hört. Wie ein Felsen, unbeirrbar. Mutig, jenseits von Verstand. In diesem Moment sehe ich, was der Goldene stets in ihm sah. und bewundere ihn genauso sehr für das, was er tut, wie ich es doch verhindern will. Die Drachenlosen des goldenen Weges bemerken uns. bemerken ihn. Stolz und Verzweifelung sind wie Flammen und Sturm in mir. und ich versuche es noch einmal. und die wenigen Silben seines Namens ersterben auf meinen Lippen als ein Pfeil – tief aus den feindlichen Reihen, weit, weit hinter den Ungerechten – sich in meine Seite bohrt. Mich zurückwirft, wenn auch nicht zu Boden. zurück bis fast an die eigenen Reihen. Den Pfeil in der Seite umklammernd reiße ich den Kopf hoch. Suche durch die Schmerzensschleier vor meinen Augen nach Siwar.

Doch das letzte, was ich sehe, bevor mich jemand zurück zerrt, sich die eigenen Reihen vor mir schließen, ist das Funkeln Siwars blanker, strahlender Klinge, die in entschlossener Herausforderung auf den Obersten Goldenen zeigt.

Mittwoch, 3. Juli 2019

Sivar I


golden. Augenblick
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Trocken und heiß steht die Sonne über den Feldern Elitawanas, als der Ansturm der Drachenlosen langsam unausweichliche Zukunft wird. Augenblicke sind es nur noch, die uns davon trennen. Ihre Präsenz fast schon greifbar in der Luft. Wie ein schwaches Abbild des letzten Jahres ist es nur, als Niloufar und ich uns ansehen. Wir beide. niemand sonst. Kein Heilerkreis. Keine Krieger. nur wir.

Dann fällt ein Schatten, weit genug für uns beide, und ich finde ein Lächeln. und mein Gleichgewicht. Mein Blick trifft den Siwars, und die Welt hat einen Ankerpunkt. Ein Berg von einem Mann, nannte ihn Thebastus einst. Ein Felsen – sagen alle meine Sinne. Ein Felsen im Ansturm der Feinde. Ein Felsen, fest und stark und unzerstörbar, im Wirbel der Geschehnisse dieser Welt. Ein Ruhepunkt, wohin immer er geht. Als würde er mir stets seinen ganz eigenen Moment mitbringen, der mich innehalten lässt. Wie grad jetzt.

Er nickt uns zu, sieht mich dann an. Ich wechsele einen Blick mit Niloufar. mehr braucht es nicht. "Wir würden mit dir ziehen. als Heiler." er nickt lächelnd, findet dann eigene Worte. "Ich wollte nocheinmal mit dir reden. vor der Schlacht." ich nicke ebenfalls. Für Siwar habe ich immer Zeit. "worüber?" Er zögert einen winzigen Moment. "nichts spezielles…" ich blinzele. Leute, die ohne Anliegen zu mir kommen, sind so selten, dass es mich fast schon irritiert. Dann aber erinnere ich mich, dass die Zeit, die uns in dieser Welt bleibt, selten viel länger ist, als unbedingt notwendig. Ist die Schlacht geschlagen, zum einen oder anderen Ende, reißt es uns fort. und ein Funken Freude glimmt in mir. Über das, was aus der Zeit gewachsen ist. Aus so wenig Zeit. und so wenigen Worten. Aus Schmerz und Stolz, aus Erleichterung und Wut, auf all das, was wir hier anrichten.

ich nicke also noch einmal und finde doch selbst keine Worte für den Moment. dann aber fällt mir auf, was ich schon seit einer Weile in der Hand halte. und ich ahne, was mich dazu gebracht hat. Um meine Hand ist ein goldenes Lederband geschlungen, an dem eine winzige Flasche hängt. Fest verkorkt enthält sie eine einzelne, nahezu filigrane Feder. Ich hebe die Hand und halte die geöffnete Handfläche Siwar entgegen. Fragend schaut er erst die Feder, dann mich an.

"Dies…" Erinnerung lässt mich lächeln. "…ist eine Argylenfeder." die Worte machen ihm genausowenig Sinn wie mir, als ich sie das erste Mal hörte. Mein stilles Lächeln aber wird offener, menschlich fast, als ich ihm andeute, sie zu nehmen. "Die sterbliche Form des Grauen hat sie mir gegeben." Jetzt lächelt auch er. Jahrzehnte mit Thebastus hat er schließlich verbracht. Wo goldener und grauer Weg miteinander verwoben ihr beider Schicksal fand. Vorsichtig nimmt er sie mir ab, windet das Lederband – viel zu kurz für seinen Nacken – um eine der Ketten, die er trägt. Emotionen, die ich nicht ganz beschreiben kann, stehen in seinen Augen.

Dann erhebt sich das Dunkel. Schlachtensang liegt urplötzlich in der Luft und des Roten Schwingen breiten sich am Himmel über uns aus, als die ersten Reihen der Drachenlosen die unseren treffen. ich finde noch Zeit für einen einzelnen Satz.

"Sie bringt Glück."